Die Gabe der Weissagung

„…wir haben das prophetische Wort…“ (2. Petrus 1, 19.)

Die Prophetie ist eine Gabe und auch ein Kennzeichen der Gemeinde der Übrigen. Sie ist eine der bedeutsamsten Gaben Gottes an die Menschen.

Die Adventisten sind eine eng verbundene Gemeinschaft, ungeachtet aller politischen Grenzen und wirtschaftlichen Unterschiede. Aus allen Rassen, Hautfarben und Nationalitäten setzt sich die große Familie vereint in Christo zusammen.

Gott hat die Gemeinde eingesetzt, deren Haupt Christus ist, damit durch die Gemeinde auch wichtige biblische Prophezeiungen durch eine besondere Botschaft verkündigt und erfüllt werden.
Daniel 8, 14, die Schriftstelle, die durch die 2300 Abende und Morgen die Reinigung des himmlischen Heiligtums, den Beginn des himmlischen Untersuchungsgerichtes im Jahr 1844 vorhersagt, verkündigt auch, dass die biblische Wahrheit über das „kleine Horn“ wieder unverfälscht verkündigt werden wird. Als der Heilige in der Vision fragte: „Wie lange gilt dies Gesicht?“ (Vers 13), bezog er sich auf das Wirken des „kleinen Horns“, das unter anderem auch die Wahrheit zu Boden werfen sollte (Vers 12).

Mit anderen Worten, von 1884 an sollte die Wahrheit wieder vollständig und klar verkündigt werden. In jenem Jahr sollte zugleich eine der feierlichsten Stunden der Geschichte anbrechen, sollten wichtige biblische Lehren, die jahrhundertelang missachtet worden waren, neu gepredigt werden.

Durch die Verkündigung des zweiten Kommens Christi im Jahre 1844 kam es zu einer großen Enttäuschung, da Christus nicht erschienen war, wie man ihn erwartet hatte. Die Prophezeiungen waren richtig, die 2300 Abende und Morgen waren zu Ende, die Zeit des Gerichts war angebrochen, und die Zeit der letzten Gemeinde war angebrochen. Diesem besonderen Volk schenkte Gott aus Gnaden die Prophetengabe.

„Denn der Herr Herr tut nichts, er offenbare denn sein Geheimnis den Propheten, seinen Knechten.“ (Amos 3, 7.) Ein Prophet ist ein Mensch, den Gott selbst auserwählt hat, um seine Absichten mitzuteilen. Die Bibel erwähnt mehrere Propheten, zu denen Gott gesprochen hat und denen er Botschaften übermittelt hat. Darunter gab es auch Prophetinnen, die eine Aufgabe und Botschaft für das Volk Gottes hatten.

Wie empfingen die Propheten das Wort des Herrn? In vielen Fällen hatten sie Träume oder Visionen, durch die Gott zu ihnen sprach. Gott diktierte den Propheten die Worte nicht; vielmehr erfüllte er ihre Gedanken mit der Botschaft und überließ es ihnen, diese Botschaft zu formulieren und weiterzugeben.

Aller biblischen Prophetie lag die Güte Gottes zugrunde. Gott wollte seinem Volk helfen und es aus seiner Sünde, seiner Blindheit und seinem Schlaf aufwecken. Der Herr wollte immer sein Volk aufrütteln, es zurückrufen und ihm den Weg zeigen. So wie der Apostel Paulus schreibt: „... dass die Heiligen zugerichtet werden…, bis dass wir alle hinkommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes.“ (Epheser 4, 12. 13.) Wir sollen einen Glauben und eine Lehre haben.

Einheit in Christus erreichen


Zwei Monate nach der Enttäuschung, im Dezember 1844, versammelten sich fünf junge Glaubensschwestern zur Andacht. Unter ihnen befand sich ein 17-jähriges Mädchen, Ellen Harmon aus Portland im US-Bundesstaat Maine. Sie befand sich körperlich in einem schlechten Zustand. Seit Wochen war sie krank, konnte kaum sprechen, ihre Lunge war angegriffen, und das Atmen fiel ihr schwer. Die häufigen Hustenanfälle und Lungenbluten hatten sie sehr geschwächt. Die anwesenden Schwestern hatten schon gebetet, als Schwester Ellen mit leiser Stimme betete. Die Kraft Gottes überkam sie, und der Herr gab ihr das erste Gesicht (die erste Vision).

Alles, was um sie herum vorging, konnte sie nicht wahrnehmen, ihr Gesicht hielt sie entzückt nach oben gerichtet und  sah nur die Dinge, die Gott ihr jetzt offenbarte. Der Herr zeigte ihr den Pfad zu der Stadt Gottes (siehe auch Erfahrungen und Gesichte, das Kapitel „Mein erstes Gesicht“) – vgl. Entstehung und Fortschritt, S. 27.

Ellen G. Harmon erhielt die Bestätigung, dass Gott sie berufen hatte, ein auserwähltes Werkzeug in seiner Hand zu sein. Alle Merkmale der biblischen Propheten erfüllten sich an ihr.

Warum gerade sie und niemand anderes?

In Massachusetts lebte William Foy, er war ein gebildeter Mann und ein großer Redner der sich auf seine Einsegnung als Prediger vorbereitete. Er erhielt drei Gesichte in Bezug auf das nahe Kommen Christi, der Strafe der Gottlosen und der Reise des Volkes Gottes zu der himmlischen Stadt. William Foy wurde befohlen, diese Visionen zu verkündigen. Er wurde überall eingeladen zu predigen und seine Schilderung erregte  Aufmerksamkeit. Nachdem er verschiedene Teile Neu-Englands bereist hatte, ließ er im Jahre 1845 zwei seiner Gesichte  in einer Broschüre als seine Gesichte drucken. Er überhob sich über die empfangene Offenbarung, verlor infolgedessen seine Demut und damit auch diese Gabe des Geistes. Er litt immer wieder an Krankheiten und verstarb bald darauf. 

In Portland lebte auch ein junger Mann mit Namen Hazen Foss, gut aussehend, mit feiner, gewinnender Stimme. Ihm gab der Herr 1844 eine Vision, die den Weg zu der Stadt Gottes zeigte. Er war allerdings stolz und weigerte sich, diese Offenbarungen der Gemeinde zu verkündigen. Im dritten Gesicht wurde ihm daraufhin gesagt, dass er frei sei und die Last auf das schwächste Geschöpf gelegt werde, welche Gottes Befehle ausführen würde.

Dies erschreckte den jungen Mann; er entschloss sich, das ihm gezeigte Gesicht zu erzählen. Die Menschen drängten sich heran, um zu sehen und zu hören. Er erzählte sorgfältig seine Erfahrung, wie er sich geweigert hatte. Nun wollte er das Gesicht erzählen. Aber ach, es war zu spät. Er stand stumm wie ein Denkmal vor der Versammlung und rief in tiefem Schmerz: „Ich kann mich keines Wortes mehr von dem Gesicht erinnern!“ Voller Verzweiflung sprach er: „Gott hat sein Wort erfüllt; er hat das Gesicht von mir genommen, ich bin ein verlorener Mensch!“ Leider verlor er seine Hoffnung in Christo, versank in Verzweiflung und starb 1893 ohne Interesse am Glauben.

Bevor Ellen Harmon ein Gesicht empfing, gab Gott nach der Enttäuschung 1844 auch Hiram Edson und O. R. Crosier eine Vision vom himmlischen Heiligtum und unserem großen Hohenpriester Jesus Christus und seinem Dienst im Allerheiligsten.

Gott gab die Gabe der Prophetie einer schwachen und kranken jungen Schwester. Wie die biblischen Propheten empfing auch sie die Botschaften Gottes durch Träume und Gesichte. Als Einleitung zu ihren Zeugnissen bediente sich oft der Formulierung: „Der Herr hat mir gezeigt“. Einen Großteil ihrer Unterweisung erhielt sie jedoch, indem der Heilige Geist direkt ihr Denken beeinflusste. Gott gab ihr die Botschaften für sein Volk für die letzte Zeit.

Ein Bollwerk


Die gegebenen Zeugnisse waren ein Bollwerk gegen Abtrünnigkeit und Irrtum. Die Gemeinde wurde erst gegen 1862/63 organisiert, doch einte sie ein starker Glaube an Gottes Führung. Durch intensives Bibelstudium und Bibelkonferenzen, bei denen die Gegenwart des Heiligen Geistes spürbar war, erreichten sie die Einigkeit in Glaubenspunkten. Doch es gab eine Anzahl von Lehrpunkten, die zu Meinungsverschiedenheiten führten. Schließlich waren die Gläubigen aus den verschiedensten Gemeinschaften und Glaubensrichtungen zur Adventbewegung gestoßen. Bezüglich der Dreieinigkeit, der Göttlichkeit Jesu, der Person des Heiligen Geistes und des Sündopfers Jesu gab es unterschiedliche Meinungen.

Über ein halbes Jahrhundert lang führte Ellen G. White die Gemeinde mit großer Geduld zu einem besseren, biblisch ausgerichteten Verständnis des Evangeliums.
Bruder Uriah Smith vertrat ursprünglich die Ansicht, dass Jesus das „erste Geschöpf“ Gottes sei. Später änderte er zwar seine Meinung, beharrte aber auf dem Standpunkt, dass Jesus nicht wie Gott ewig war. Diese aus dem Arianimus übernommene Ansicht war in der Gemeinde ziemlich verbreitet.

Der Heilige Geist wurde nicht als Person der dreieinigen Gottheit angesehen, sondern als geheimnisvolle Kraft. Bereits im Jahre 1869 bezeugte Ellen G. White die Gleichheit von Gott Vater und Sohn. Den Heiligen Geist nannte sie die dritte Person der Gottheit. Die Botschaft „Christus und seine Gerechtigkeit“ von 1888 wurde zu einer der wichtigsten Botschaft für unser Glaubensverständnis.

„Wir haben viele Lektionen zu erlernen und vieles, vieles zu verlernen. Allein Gott und der Himmel sind unfehlbar. Welche glauben, dass sie niemals eine gehegte Ansicht aufzugeben hätten, niemals Grund haben würden, eine Meinung zu ändern; die werden sich enttäuscht sehen. Solange wir mit entschlossener Beharrlichkeit an unseren eigenen Ideen und Meinungen festhalten, können wir nicht zu der Einigkeit gelangen, um die Christus bat.“ – Zeugnisse für Prediger, S. 24.

Menschliche Selbstzufriedenheit ist immer eine Gefahr. Aufrichtigkeit allein genügt nicht, denn man kann dabei doch im Irrtum sein. Aufrichtigkeit ist niemals ein Ersatz für die Wahrheit. Oft stehen wir in der Gefahr, dass unser Denken in vorgefertigten Mustern verläuft, wir an bestimmten Ideen und Ansichten festhalten und die Wahrheit dabei außer Acht lassen.

Unsere Pioniere mussten 1844 mit einer bitteren Enttäuschung fertig werden. Sie brauchten in ganz besonderer Weise den Beistand des Heiligen Geistes. Sie mussten getröstet werden und die Gewissheit erlangen, dass der Herr sie durch diese Erfahrung führte. Zur rechten Zeit gab Gott die wunderbare Gabe des Zeugnisses Jesu. „Und das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung.“ (Offenbarung 19, 10.)

Warum die Zeugnisse?


„Ich nahm die köstliche Bibel und umgab sie mit den verschiedenen Zeugnissen für die Gemeinde, die für das Volk Gottes gegeben worden waren. ‚Hier‘, sagte ich, ‚sind die Fälle beinahe aller zu finden. Die Sünden, die sie meiden sollen, sind hier angegeben. Der Rat, den sie wünschen, kann hier gefunden werden, wo er für andere Fälle gegeben ist, die den ihrigen ähnlich sind. Es hat Gott gefallen, euch Gebot auf Gebot, Vorschrift auf Vorschrift zu geben. Aber es gibt nicht viele unter euch, die wirklich wissen, was in den Zeugnissen enthalten ist. Ihr seid mit der Heiligen Schrift nicht vertraut. Wenn ihr das Wort Gottes zu eurem Studium gemacht hättet, mit dem Wunsch, den biblischen Standard zu erreichen und zu christlicher Vollkommenheit zu gelangen, so würdet ihr die Zeugnisse nicht nötig gehabt haben. Weil ihr es aber vernachlässigt habt, euch mit Gottes inspiriertem Buch bekanntzumachen, hat er durch einfache, direkte Zeugnisse zu erreichen versucht, eure Aufmerksamkeit auf die Worte der Inspiration zu lenken, deren Gehorsam ihr vernachlässigt habt. Er hat euch ans Herz gelegt, euer Leben in Übereinstimmung mit seinen reinen und erhabenen Lehren zu bringen.‘“ – Zeugnisse, Band 2, S. 595.

Die Botschaften von E. G. White wollen uns zur Heiligen Schrift hinführen, weil sie vernachlässigt wurde.
„Der Herr will euch durch die Zeugnisse warnen, ermahnen, Rat erteilen und euren Gemütern die Wichtigkeit der Wahrheit seines Wortes einschärfen. Die geschriebenen Zeugnisse sollen nicht neues Licht geben, sondern sie sollen die schon offenbarten inspirierten Wahrheiten dem Herzen lebendig einprägen.“ – Zeugnisse, Band 2, S. 595.

„Die wesentlichen Grundsätze der Gottseligkeit werden nicht verstanden, weil kein Hunger und kein Durst nach biblischer Erkenntnis, Reinheit des Herzens und Heiligkeit des Lebens da ist. Die Zeugnisse sollen das Wort Gottes nicht geringer machen, sondern es erheben und Gemüter zu ihm hinziehen, damit die schöne Einfachheit der Wahrheit von allen erkannt werden kann. Ich sagte weiter: ‚Wie das Wort Gottes von diesen Büchern und Broschüren umringt ist, so hat Gott euch mit Ermahnungen, Ratschlägen, Warnungen und Ermutigungen umringt. Hier fleht ihr in der Qual eurer Seelen vor Gott um mehr Licht. Ich bin von Gott beauftragt, euch zu sagen, dass kein anderer Lichtstrahl durch die Zeugnisse auf euren Pfad scheinen wird, bis ihr von dem bereits gegebenen Licht praktischen Gebrauch macht. Der Herr hat euch mit Licht umringt; aber ihr habt das Licht nicht geschätzt, ihr habt es unter die Füße getreten. Während einige das Licht sogar verachtet haben, haben andere es vernachlässigt oder sind ihm nur gleichgültig gefolgt. Einige wenige haben sich in ihrem Herzen vorgenommen, dem Licht, das Gott ihnen gnädig geschenkt hat, zu gehorchen.‘“ – Zeugnisse, Band 2, S. 596.

Ziel der Angriffe Satans

„Der letzte Betrug durch Satan wird darauf abzielen, das Zeugnis des Geistes Gottes unwirksam zu machen. ‚Wo keine Offenbarung ist, wird das Volk wild und wüst.‘ (Sprüche 29, 18.) Satan wird äußerst klug vorgehen, um auf verschiedene Art und Weise und mit unterschiedlichen Mitteln das Vertrauen der Gemeinde der Übrigen in das wahre Zeugnis zu erschüttern.“ – Christus kommt bald, S. 127.

„Eines ist sicher: Jene Siebenten-Tags-Adventisten, die sich auf die Seite Satans stellen werden, wenden sich zuerst gegen die Warnungen und Tadel, die Gottes Geist in den Zeugnissen gegeben hat.“ – Christus kommt bald, S. 126.

„Es ist ein Angriff, den wir wirklich zu erwarten haben. Ein Hass gegen die Zeugnisse wird sich entzünden, der satanisch ist…!“ – Selected Messages, Bd. 3, S. 84.

Die Bibel warnt uns in 1. Thessalonicher 5, 19-21 die Botschaft nicht zu verachten: „Den Geist dämpfet nicht, die Weissagung verachtet nicht; prüfet aber alles, und das Gute behaltet.“

Die Angriffe des Feindes gegen die Schriften von E. G. White werden mit Sicherheit in naher Zukunft noch heftiger werden. Wessen Glaube erschüttert werden kann, wird auch erschüttert werden. Wir können es uns nicht leisten, Zweifel zu hegen. Was hier auf dem Spiel steht, ist einfach zu wichtig: Unsere Seligkeit hängt davon ab.

„Welch eine Lehre für das Volk Gottes heute. Wir haben für die Zukunft nichts zu befürchten, es sei denn, wir vergessen, wie der Herr uns in der Vergangenheit geführt und gelehrt hat.“ – Life Sketches, S. 196.

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